Lehrermangel aus der Sicht einer MS-Lehrerin
Nachdem nächste Woche wieder die Schule beginnt und voraussichtlich nicht genug Lehrer geben wird, dachte ich mir ich gebe kurz einen Einblick, aus der Sicht einer Person die im Moment unterrichtet.
Zuerst einmal muss gesagt werden, dass der Begriff Lehrer einfach viel zu viel abdeckt, der Mangel ist in Mittel und Volksschulen im Moment und das auch aus gutem Grund.
Ich bin Lehrerin in einer Mittelschule, also hoffentlich, denn meine Weiterverwendung habe ich noch nicht bekommen, das ist aber üblich. Im Moment glaube ich einfach meinem Arbeitgeber, dass ich weiterhin angestellt bin, wenn ich muss ich wohl in ein paar Tagen zum AMS. Übrigens habe ich meinen Vertrag erst nach 6 Monaten arbeiten bekommen, davor bin ich einfach davon ausgegangen, dass alles schon passt. Die Bildungsdirektion lässt sich gerne Zeit bei allem.
Stundenplan für nächste Woche?
Nein natürlich noch nicht. Wir wissen auch nicht, wann er kommt. Aber es kann schon bis zur 3. oder 4. Schulwoche dauern wenn noch nicht alle Personellenmängel gedeckt sind. Daweil muss man halt flexibel sein.
Eine Ahnung davon welche Fächer ich unterrichte?
Nicht wirklich, hoffentlich etwas von dem das ich letztes Jahr unterrichtet habe weiter aber dann bleiben noch gute 10 Stunden die offen sind. Das könnte jedes Fach sein inklusive Hauptfächern. Konnte mich natürlich jetzt in den Ferien auch nicht sonderlich gut vorbereiten auf meinen Mystery-Unterricht. Und um es noch zu betonen, seit letztem Jahr gibt es digitale Grundbildung. Ein Fach, dass niemand studiert hat weil es das dazugehörige Studium auch erst seit letztem Jahr gibt. Hoffentlich bekomme ich das nicht, weil es dazu keine Materialien gibt, der Lehrplan etwas wild geschrieben ist und Schulbücher dazu können wir uns natürlich nicht leisten.
Diese Woche werden wir als bessere Putzsklaven eingeteilt und müssen die Klassenzimmer herrichten und ähnliches. Dann die Laptops der Kinder wieder in Stand setzen, weil wer weiß was die über die Ferien damit aufgeführt haben. Ich will es nicht wissen. Und mit wir meine ich die jüngeren Kolleg:innen weil die älteren möchten von der Technik nichts wissen.
Austausch unter Lehrer:innen?
Fehlanzeige, jeder kocht sein eigenes Süppchen und ist superneidisch auf alles Material, dass sie produziert. Ganz ehrlich ein Übungsblatt zum Konjugieren müsste im Jahre unseres Herren 2023 niemand mehr selbst erstellen. Genauso wie einen Vokabeltest für die generischen Bücher die es gibt. In den Facebook Gruppen wird man nur blöd angegangen, wenn man etwas fragt oder mal hinterfragt, wieso jemand der als Lehrer angestellt ist im Sommer in die Schule kommen muss und die Schulserver warten. IT-Personal gibts nicht an den Schulen, die Laptopinitiative hat so ausgeschaut, dass wir für jedes Kind einen Laptop bekommen haben, also bei 4 ersten Klassen waren das rund 100 Stück und die hätten die Kinder selbst einrichten sollen oder halt wir in unserer Freizeit.
Ausstattung:
Nein. Im Prinzip musst du dir alles selbst kaufen. Auf Facebook hat es jemand sehr treffend beschrieben: „Lehrer ist der einzige Job, wo du Büromaterial von daheim stiehlst, um es in die Arbeit mitzunehmen“. Wenn ich was Lochern oder Tackern will, brauch ich mein eigenes Gerät. Bluetooth Box für die Höraufgaben oder ein Video – Selbstgekauft. Arbeitsplatz mit Computer in der Schule – Natürlich nicht außer du hoffst, dass der Informatikraum frei ist. Diensthandy damit die Eltern nicht alle deine Privatnummer haben? Nein du kannst ja vom Telefon in der Schule anrufen im Lehrerzimmer wo alle 2 Minuten wer reinkommt. Stifte und alles andere muss ich übrigens auch selbst zahlen.
Die Arbeit selbst, also das Unterrichten macht Spaß. Aber ich verstehe, warum niemand in Mittelschulen unterrichten will. Vor allem da das Studium jetzt angepasst wurde und man 5-7 Jahre studiert (größtenteils fachlichen Schwachsinn, den nie jemand brauchen wird in der Mittelschule, Pädagogik gibt’s so gut wie gar keine) und dann in der ersten Klasse Mittelschule nicht mal viel über die Grundrechenarten hinauskommt. Kurvendiskussion wirst du in vielen Mittelschulen nie unterrichten und das liegt nicht nur an den Schüler:innen sondern am System. 50 Minuten unterricht wo 25 (minimum, durch den Lehrermangel werden halt auch einfach still und leise die Klassengrößen erhöht) Kinder dasselbe im selben Tempo lernen sollen ist nicht mehr Zeitgemäß.
Dass man sich regelmäßig mit aggressiven Kindern und Eltern rumschlagen muss, weniger gezahlt bekommt, wenn man auf Schullandwoche fährt, weil die Zulagen entfallen, das Geld aber vorstrecken muss und erst in 3-6 Monaten zurückbekommt, viele Junglehrer die ersten 2-3 Monate kein Gehalt bekommen und nicht versichert sind weil die Bildungsdirektion das versäumt lassen wir mal außen vor.
Aber ich freu mich schon darauf, wenn mein neuer Assistenzlehrer ein Milizsoldat ist, der verdient dann auch mehr als ich, weil das ja als Vordienstzeit angerechnet wird.